Die Geschichte des Druckens

Vor Gutenberg

Ein Chinese würde sich wundern, wollte man ihm weismachen, ein Johannes Gutenberg in Deutschland hätte vor rund 550 Jahren das Drucken erfunden.
Tatsächlich ist die Druckkunst sehr viel älter, wurde in Ostasien entwickelt, und schon Jahrhunderte vor Gutenbergs Geburt um 1400 kannten Chinesen das System der "beweglichen Lettern".
Schriftzeichen auf Knochen, Bronzen, Keramik und Steinstelen belegen die Verwendung von Schrift in China schon für das 5. Jahrtausend vor Christus. In größerer Menge reproduzierbar wurde Schrift, als den Chinesen vor rund 2200 Jahren die Erfindung des Papiers gelang. Es bestand anfangs noch aus Hanffasern, dann aus Seidenlumpen oder Maulbeerrinde und ähnlich exotischen Grundstoffen. Aber es funktionierte: Plötzlich standen große Schreibflächen zur Verfügung, die leicht produziert werden konnten.
Bald stellte sich entsprechend die Frage auch nach der Reproduzierbarkeit der Schriftzeichen.
Als Vorform des Druckens gelten heute chinesische Abreibungen und Abklatsche von Steininschriften, die eine gezielte Verbreitung von Texten ermöglichten.
Im 2. Jahrhundert nach Christus, als etwa zur gleichen Zeit in der westlichen Welt der römische Kaiser Marc Aurel seine philosophischen Gedanken auf Papyrusrollen festhielt und für die Vervielfältigung auf Schreiber angewiesen war, schnitt man in China seit dem Jahr 175 unserer Zeitrechnung über acht Jahre hinweg die Hauptwerke der klassischen chinesischen Literatur in Steinplatten. Davon wurden Tausende Kopien in Form von Abklatschen hergestellt: Man drückte befeuchtetes Papier so auf die Inschriftensteine, daß beim Bürsten des Papiers mit Tusche die eingeschnittenen Schriftzeichen sich weiß vom sonst geschwärzten Papier abhoben.
Die nächste Stufe erreichte man mit dem sogenannten Holztafeldruck im 7. Jahrhundert: Jedes Zeichen wurde seitenverkehrt in einen Holzstock geschnitten, indem man alles umgebende Holz entfernte. So entstanden erhabene Linien, die entsprechend eingefärbt und auf Papier abgerieben, in positiver Gestalt den gewünschten Text abfärbten.
Dieses - technisch betrachtet - Hochdruckverfahren blieb über Jahrhunderte in China die Drucktechnik für religiöse und profane Bücher, für Spielkarten, Kalender, Papiergeld und Bilderdrucke.
Das ausgeklügelte chinesische Verwaltungs- und Bildungssystem der Song-Dynastie (960 - 1269) bewirkte eine Blütezeit des Buchdrucks. Es entstanden Enzyklopädien, Handbücher und Literatursammlungen aller Art. Noch am Ende des 19. Jahrhunderts bediente man sich in China des Buchdrucks von Holzdruckstöcken.
Doch schon um 1040, als in Europa Wilhelm der Eroberer noch seine Kindertage in der Normandie verbrachte, experimentiert ein Chinese namens Bi Sheng mit beweglichen, einzeln hergestellten Druckstempeln aus Keramik. Er ordnete sie auf einer Eisenform zu ganzen Texten an und fixierte sie mit einer Schicht Wachs und Harz. Dann wurde gedruckt. Wollte man die Zeichen erneut verwenden, erhitzte man die Eisenplatte, bis schmelzendes Wachs und Harz die Formen wieder freigaben. 300 Jahre später tauchten die ersten Lettern aus Holz auf.
Von da war es nur noch ein kleiner Schritt, die einzelnen Holzlettern gleich groß herzustellen, um sie immer in genormten Blöcken zusammensetzen zu können. Bald experimentierte man erfolgreich mit Lettern aus Kupfer, Blei oder Messing.
Aber das Drucken mit beweglichen Lettern hat sich in China bis zum Ausgang des letzten Jahrhunderts nie wirklich durchsetzen können. Der Grund lag auf der Hand: Das traditionelle Drucken mit ganzen Holzplatten erforderte zwar enormen Stapelplatz, aber die Abertausende chinesischer Schriftzeichen verhinderten eine einfache und vor allem schnelle Zusammenstellung von Druckplatten aus beweglichen Lettern.
Um wieviel einfacher war es da für Gutenberg, mit 26 Lettern und einer Handvoll von Hilfszeichen alle Worte bilden zu können!
In Asien schafften nur noch die Koreaner den entscheidenden Schritt: Dort entwickelte man fast zeitgleich zu Gutenbergs Erfindung in Deutschland eine alphabetische Schrift namens "Han´gul", die anfangs 28, später nur noch 24 Zeichen umfaßte. Diese Schrift wurde im Jahr 1444 offiziell in Korea vorgestellt - Fast zur gleichen Zeit, nämlich von 1452 bis 1455, druckte Gutenberg in Mainz seine berühmte Bibel.

Die Erfindung

Gedruckt wurde schon vor Gutenberg per Holzdruck. Hierbei wurde Papier auf den bearbeiteten und mit Farbe versehenen Holzstock gelegt und abgerieben - ein aufwendiges und langwieriges Verfahren.

Grundgedanke der Erfindung Gutenbergs war die Zerlegung des Textes in alle Einzelelemente wie Klein- und Großbuchstaben, Satzzeichen, Ligaturen und Abkürzungen, wie sie aus der Tradition der mittelalterlichen Schreiber allgemein üblich waren. Diese Einzelelemente wurden als seitenverkehrte Lettern in beliebiger Anzahl gegossen, schließlich zu Wörtern, Zeilen und Seiten zusammengefügt. Urform oder Prototyp für jeden Buchstaben war der Stempel. In die Stirnseite eines Stahlstifts wurde das Zeichen geschnitten, so daß sich ein seitenverkehrtes präzises Relief ergab. Nun wurde der jeweilige Stempel, die Patrize, in einen rechteckigen Block aus weicherem Metall, in der Regel wohl Kupfer, "abgeschlagen", d. h. senkrecht mit dem Schlag eines Hammers eingetieft. Die so erzeugte Matrize mußte nachbearbeitet und begradigt werden, so daß eine rechtwinkliger Kubus mit geraden Seiten entstand. Das seitenrichtige Bild sollte eine einheitliche Tiefe haben, weshalb die Oberfläche mit einer Feile bearbeitet wurde. Um den Guß einer Letter zu bewerkstelligen, entwickelte Gutenberg das Handgießinstrument. Zwei Teile umschließen einen rechteckigen Gießkanal, dessen eines Ende durch Einsetzen der Matrize verschlossen wurde. Nach dem Guß der Lettern im Handgießinstrument mußte der Angußzapfen entfernt werden.

Jede Letter hatte eine "Sollbruchstelle", so daß alle Lettern automatisch die gleiche Höhe erhielten. Das Handgießinstrument, der bedeutendste Teil der Erfindung, ermöglichte es, im schnellen Wechsel die jeweils benötigten Mengen an unterschiedlichsten Lettern zu gießen. Das Gußmetall war eine Legierung aus Blei, Zinn und weiteren Beimischungen, die ein schnelles Erkalten und eine ausreichende Dauerhaftigkeit unter dem hohen Druck der Presse gewährleistete.

Die Druckerpresse, die gegenüber dem bis dahin bekannten Reiberdruck eine enorme Beschleunigung des Druckvorgangs bewirkte, war eine Spindelpresse mit spezieller Ausrüstung für die effektive und gleichmäßige Übertragung des Druckbildes von der Form auf das Papier oder auch das Pergament.

Weiterentwicklung

"Not macht erfinderisch" sagt das Sprichwort, und finanzieller Not verdanken wir die Erfindung eines Druckverfahrens, das vor 200 Jahren aufkam und schnell den traditionellen Verfahren des Hoch- und Tiefdrucks Konkurrenz machte: Die "Lithographie" (Flachdruck).
Alois Senefelder (1771 - 1834), Jurastudent mit Hang zur Schriftstellerei, suchte einen Weg, seine eigenen Theaterstücke möglichst preiswert vervielfältigen und verkaufen zu können. Eine eigene Druckpresse und Typenmaterial konnte er sich nicht leisten, und so suchte er nach einer alternativen Drucktechnik. Heraus kam der "Druck von Steinen".
Wann ihm die Idee dazu kam und wann er das erste Mal seine eigene Druckpresse in Bewegung setzte, wissen wir nicht. Auf jeden Fall erschien der Liedtext "Brand von Neuötting" im Jahr 1797, vermutlich das erste Werk, das mit der neuen Technik hergestellt wurde.
Senefelder selbst taufte seine Erfindung "Chemische Druckerey", bekannt wurde sie aber unter dem noch heute geläufigen Namen "Lithographie" (grch.: "lithos = Stein; "graphein" = schreiben).
Der Grundgedanke ist einfach und revolutionär zugleich: Muß man zum Drucken unbedingt Texte und Bilder als Relief in eine Druckform einarbeiten oder geht es nicht auch mit einer "flachen" Druckform?
Senefelder kam zum ersehnten Ziel, weil er sich einen natürlichen Vorgang zunutze machte: Wasser und Fett stoßen sich ab! Also präparierte er eine völlig plane Steinplatte, so daß er die gewünschten Schriftzüge und Bildmotive seitenverkehrt mit fetthaltiger Kreide oder Tusche direkt auf den Stein auftragen und anschließend mit Wasser befeuchten und fetthaltige Farbe aufbringen konnte. Die Farbe blieb natürlich nicht auf der nassen Oberfläche des Steins haften, wohl aber im Bereich der fetthaltigen Striche seiner Zeichnung!
Die Zahl der Abzüge war prinzipiell unbegrenzt und ihre Wiedergabe im Detail sehr fein und genau.
Den am besten geeigneten Stein fand Senefelder in den Kalkschieferbrüchen bei Solnhofen. Sie sind heute vor allem noch wegen ihrer weltberühmten Fossilien bekannt.

Seine Erfindung nutzte Senefelder zunächst, um Notenmaterial seines Geldgebers, des Hofmusikers Gleißner zu drucken.
Sehr schnell erkannte der Offenbacher Musikalienverleger André die Möglichkeiten des neuen Verfahrens, schloß mit Senefelder einen Vertrag und verhalf so der Lithographie zum Siegeszug durch die Welt.
Schon bald entstanden Druckereien für Lithographie im Ausland, und Senefelder selbst gab in Aufsätzen und Büchern Empfehlungen, welche Art von Drucksachen er für die Lithographie als geeignet erachtete: Schriften, Noten, Landkarten, Tabellen und Zirkularien - also Gebrauchsgraphik - und Reproduktionen von Kunstwerken.
Die künstlerische Graphik, die wir heute in der Regel mit der Lithographie in Verbindung bringen, kam erst Jahrzehnte später auf.
Senefelders langfristiger Erfolg war drei Vorteilen zu verdanken: Der Haltbarkeit der Druckform (Stein), außerordentliche Geschwindigkeit in der Bearbeitung der Druckform selbst und damit der Preisvorteil gegenüber den herkömmlichen Druckverfahren.
Es konnten keine empfindlichen Druckformen beschädigt werden, die Druckform war schnell und leicht durch einfaches, aber seitenverkehrtes Zeichnen herzustellen, die Auflagen waren hoch, und man konnte den jeweiligen Stein für andere, weitere Drucke nutzen, indem man einfach die schon bearbeitete, nicht mehr benötigte Schicht abtrug!

Technische Verbesserungen wie farbiges Drucken (Chromolithographie) und bessere Pressen folgten, so daß sich bald bloß noch eine entscheidende Frage stellte: Wie konnte man die schweren Steinplatten durch leichteres Trägermaterial ersetzen?
Die Antwort kam 1834: Zinkplatten. Über diese Stufe erfolgte 1846/47 die Erfindung des Offsetdruckes, bei dem dünne Metallplatten gebogen und dann auf einen Zylinder aufgespannt werden. Der in der Druckmaschine rotierende Zylinder ermöglichte noch einmal eine Erhöhung der Druckgeschwindigkeit und ebnete den Weg zu unseren modernen Druckstraßen, die im Minutentakt Tausende von Zeitungs- und Zeitschriftenexemplaren ausspucken - Dank Senefelder.

Von Mainz in die Welt

Als Johannes Gutenberg im Februar 1468 starb, hatte sich seine anfangs noch geheimgehaltene Kunst des Buchdruckens schon weit verbreitet: Nicht nur in Deutschland, sondern auch bereits im benachbarten Ausland hatten eigenständige Druckereien aufgemacht.
Stellt man in Rechnung, daß Gutenbergs berühmte Bibel ja erst 1454 fertiggestellt und seitdem nur 13 Jahre vergangen waren, dann mutet die Verbreitung der Buchdruckerkunst wie ein explosionsartiges Ereignis an.
Selbst in unserem schnellebigen Medienzeitalter dauert es in der Regel etliche Jahre, bis eine gravierende Neuerung sich tatsächlich ihren Markt erobert hat, denken wir nur an die Einführung der CD.
Dabei war es eher unerwartetes Ereignis, das den Anlaß zu dieser raschen Ausbreitung gab: Nachdem schon einzelne Druckergesellen Gutenberg, der im Rechtsstreit mit seinem Geldgeber lag und schließlich sogar seine Werkstatt verlor, verlassen hatten, folgte im Jahr 1462, sechs Jahre vor dem Tod Gutenbergs, ein großer Exodus in Mainz. Der Streit zwischen dem amtierenden Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg und Adolf von Nassau, dem von Papst und Kaiser favorisierten Kandidaten, wurde ganz zeitgemäß in der Manier spätmittelalterlicher Fehden gelöst: Die Nassauer nahmen Mainz mit Gewalt ein, vertrieben den amtierenden Erzbischof samt einer beachtlichen Anzahl mißliebiger Mainzer Bürger, darunter auch etliche der in den Werkstätten von Gutenberg und seinen Konkurrenten Fust und Schöffer tätigen Drucker.
Nun war die Einrichtung einer leistungsfähigen Druckerei nicht nur sehr kapitalintensiv, sondern sie lohnte sich auch nur, wenn ein entsprechender Markt vorhanden war. Die Mainzer Drucker suchten also in den Städten Zuflucht, in denen dank regen Handelsverkehrs oder durch Universitäten bedingt ein täglicher Bedarf an Büchern bestand.
Dieser Umstand ließ die meisten Städte wenig attraktiv erscheinen - man mußte unter Umständen schon relativ weit wandern. So entstanden kurz nacheinander in Heidelberg, Straßburg, Augsburg, Basel, Ulm, Nürnberg und Wien im Süden, in Köln, in Leipzig in Mitteldeutschland und im norddeutschen Lübeck Druckereien. Auch Bischofssitze wurden zu Druckorten, denn dort herrschte immer Bedarf an liturgischer Literatur: Würzburg, Regensburg, Bamberg, Freising, Eichstätt, Passau, Münster, Merseburg, Breslau, Schwerin und Meißen erhielten so frühzeitig Druckwerkstätten.

Im Kloster Santa Scolastica im italienischen Subiaco wurde das erste jenseits der Alpen gedruckte Werk schon 1465 fertiggegestellt. Es war von Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz gedruckt worden. Sweynheim, der ursprünglich Kleriker in Erzdiözese Mainz gewesen war, hatte vermutlich schon 1462 in der Fust-Schöfferschen Druckerei in Mainz das Druckhandwerk gelernt. Die erste von deutschen Druckern geleitete Offizin in Rom entstand 1464/65. Und wieder waren Sweynheim und Pannartz zusammen mit einem Ulrich Han aus Ingolstadt die Drucker vor Ort in der Heiligen Stadt.
Von den über 40 Druckereien, die vor 1500 allein in Rom entstanden, befanden sich 25 in deutscher Hand. Die Verlautbarungen der Kurie, Predigten und politische Texte garantierten in Rom eine gute Auftragslage. An der Spitze Italiens stand aber Venedig: 150 Druckereien produzierten bis ca. 1500 etwa 4500 Buchtitel und andere Druckerzeugnisse. Der erste in Venedig war ein Johannes de Spira (= von Speyer), der für 1460/61 in Mainz erwähnt wird. 1469 erschien in der Lagunenstadt das erste Buch, ganz klassisch: Cicero, "Epistolae ad familiares".

Während in Italien die Kirche eine starke Antriebsfeder für den Buchdruck war, förderte in Paris vor allem der Bedarf der Sorbonne die Einführung des Buchdrucks. Professoren der "Hohen Schule" setzten dort die Bereitstellung von Geldmitteln für die Einrichtung einer Druckerei durch und holten drei deutsche Drucker der zweiten Generation aus Colmar, Konstanz und Straßburg.
Im Süden Frankreichs fanden sich einige Wanderdrucker aus Deutschland, die zum Teil auch über die Pyrenäen nach Spanien überwechselten. Johannes Numeister war einer der Ersten: Er hatte zuerst den Buchdruck nach Foligno in Italien gebracht (seit 1470), wandte sich dann nach Perugia und ging später nach Albi und Lyon in Frankreich.
Im spanischen Valencia nahm 1473 der Kölner Drucker Lambert Palmart den Betrieb auf; schon 1490 erschien dort in der Druckerei des Zwickauer Druckers Nicolaus Spindeler in valencianischer Sprache das erste Werk lokaler Prägung, der Ritterroman "Tirant lo Blanch".
Um 1500 gab es in Europa schon rund 260 Orte mit rund 1120 Druckereien, die innerhalb von vier Jahrzehnten immerhin 30.000 Werke herausgegeben und 20 Millionen Exemplare gedruckt hatten.
Nach mehreren Jahrtausenden handschriftlicher Überlieferung war dies ein Medienwechsel, dessen Bedeutung mit der Entwicklung der elektronischen Medien in unserer Zeit zu vergleichen ist.
Und was ist nach rund 450 Jahren aus der Erfindung geworden: Auf der 49. Internationalen Buchmesse in Frankfurt wurden im Oktober 1997 wieder von mehr als 9.500 Verlagen mehr als 320.000 neue Titel vorgestellt.

Team "Mainz. Gutenberg 2000"

Wir danken dem Gutenberg Museum, Herrn Dr. Claus Maywald, für die Genehmigung, diese Information über „Gutenbergs Erfindung“ nutzen zu dürfen.
Wenn Sie noch mehr über Gutenberg erfahren möchten, informieren Sie sich gern auf den folgenden Seiten:

http://www.gutenberg.de
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